LITARINO (GER), 1987

Navarino - Litty

 

 

Züchter: Gestüt Westerberg

 

Besitzer: Gundula Sacher

 

Aktiv: von 1989 - 1991 mit 17 Starts

 

Gewinnsumme: 6.136,00 EUR

 

Heutiger Einsatz: Reitpferd

 

 

Litarino konnte sich im Rennsport nicht allzu gut behaupten, so dass er 1991 als 4jähriger zum Verkauf angeboten wurde.

 

Durch einen befreundeteten Jockey wurde seine heutige Besitzerin in der damaligen Trainingsstelle Hesse (Frankfurt/ Main) auf ihn aufmerksam und verliebte sich sofort in seinen Charakter.

 

Noch im September des selben Jahres holte sie ihn zu sich und bildete ihn langsam zum Reitpferd aus. Nach mittlerweile 18 Jahren sind die beiden zu einem echten Dreamteam zusammengewachsen und haben immer noch viel Spaß miteinander.

 

Mehr über Litarinos persönliche Geschichte erfahren Sie im Anhang ..

 

Litarinos persönliche Geschichte

(geschildert von Gundula Sacher)

 

Litarino habe ich 1991 auf der Rennbahn Frankfurt/Main im Trainingsstall Hesse erworben. Er stand zum Verkauf, weil ihn bereits vierjährig die Lust am Galoppsport verlassen hatte bzw. es aufgrund seiner Leistungen keinen Sinn mehr gemacht hätte, ihn Rennen laufen zu lassen.

 

Um von vorne anzufangen:

Ich suchte im September 1991 ein neues Pferd, nachdem mein letzter Vollblüter namens Pergolesi (den ich im übrigen seinerzeit von privat erworben hatte) nach einem Unfall eingeschläfert werden musste.


Über gemeinsame Bekannte lernte ich bereits im Sommer einen Jockey namens Stefan kennen, der in Frankfurt auf der Rennbahn angestellt war und noch immer ist. Von ihm erfuhr ich, dass im Herbst regelmäßig die Jährlinge eingestallt werden und deshalb viele „ältere" Pferde zum Verkauf stehen.
Er konnte mich zu jedem Vollblüter, der verkauft werden sollte, über Charaktereigenschaften und eventuelle Krankheitsgeschichten informieren, was natürlich von Vorteil war. Aber auf ihn gehört habe ich dann trotzdem nicht. Ich hatte mir einige Pferde angesehen, aber so richtig „Klick" machte es dann erst, als ich Litarino sah. Daran änderte sich auch nichts, als Stefan über ihn sagte, „er sei ein komischer Typ". (Erst später habe ich verstanden, was er damit gemeint hat!).

Um es kurz zu machen, ihn wollte ich haben und so kaufte ich ihn völlig unvernünftig sozusagen „gekauft wie gesehen" und nur nach Bauchgefühl. Ich bekam ihn für 5.000,00 DM, nicht gerade viel für ein kerngesundes Pferd, das als Jährling auf der Auktion seinerzeit für 53.500,00 DM versteigert worden war.

Am 13.09.1991 (Freitag, der dreizehnte!) holte ich ihn von der Rennbahn ab und er bekam in Dietzenbach auf einem kleinen Bauernhof eine Box neben zwei Kaltblütern, die als Kutschpferde genutzt wurden. Anfänglich bin ich viel mit ihm ausgeritten, später nutzte ich dann auch den Reitplatz und die Halle der angrenzenden Reitanlage.
Litarino war noch Hengst und das war eigentlich auch kein Problem, er war schließlich gut erzogen und ich war einfach weiter konsequent im Umgang mit ihm. Außerdem stand mir Stefan immer mit Rat und Tat zur Seite. Leider machten sich nach einiger Zeit einige Einsteller der benachbarten Reitanlage einen Spaß daraus, sobald ich in die Halle oder auf den Reitplatz kam, sich mit ihren Stuten (meistens auch noch rossig) in meiner unmittelbaren Nähe aufzuhalten.


Irgendwann wurde mir das dann doch zu stressig, ruhiges Reiten war nicht mehr wirklich möglich in Anwesenheit der Stuten, so dass ich ihn mit 5 Jahre kastrieren ließ. Der Eingriff selbst, damals machte man das noch im Stehen, war körperlich für ihn kein Problem, aber ich hatte den Eindruck, dass ihn irgendwie seelisch der Mut verlassen hatte. Als Hengst war er wenig schreckhaft, entschlossen und gehfreudig. Nach der Kastration wurde er eher faul und im Gelände war von seinem früheren Mut nicht mehr viel übrig. Er war auch vorher kein „Selbstläufer", eher der gemütlichere Typ, aber nun musste man ihn schon etwas deutlicher auffordern, um ihn zur Arbeit zu bewegen.

Im Winter zwang uns dann das schlechte Wetter in eine Reitanlage umzuziehen, die eine Reithalle hatte. Auch deshalb, damit ich konsequenter mit ihm arbeiten konnte. Und nun erkannte ich, was Stefan mit "er ist ein komischer Typ" meinte.
Litarino war stur, sehr stur. Er sah keinen Sinn an der Arbeit in der Halle oder auf dem Platz und das zeigte er deutlich durch groben Ungehorsam. Er galoppierte auf der Stelle, stampfte vor Zorn oder rannte rückwärts.
Da Widersetzlichkeit auch körperliche Ursachen haben kann, habe ich ihn tierärztlich durchchecken lassen. Ohne Ergebnis.
Der ältere Stübben-Sattel wurde gegen einen Kieffer Lusitano ausgetauscht. Dieser Sattel rutsche allerdings nach vorne, so dass die Schulter eingeengt wurde. Also musste wieder ein neuer Sattel her, diesmal einen Schumacher Dressursattel. Diesen Sattel kann ich übrigens nur wärmstens empfehlen für Pferde, die wie Litarino einen hohen langge-zogenen Widerrist und einen eher kurzen Rücken haben. Mit einer Lammfellsatteldecke verrutscht nichts und das kommt seinem Rücken, der bei Ex-Rennpferden ja oftmals empfindlich ist, sehr zugute.

Dies alles brachte allerdings auch keine einschneidende Verbesserung. Litarino fand Dressurarbeit einfach nur widerlich. Wie oft bin ich an ihm verzweifelt und habe daran gedacht ihn zu verkaufen, wenn er mal wieder beim Reiten einen Wutanfall hatte. Aber dazu kam es dann nie. Ich mag den "komischen Typen" einfach zu gerne.

Mittlerweile ist er 22 Jahre alt und immer noch topfit. Er war niemals krank, außer mal ein leichter Husten oder im Sommer Nesselfieber, wenn er von zu vielen Mücken gestochen wurde. Seine Beine sind "glasklar", wie man so schön sagt, ohne Gallen oder Überbeine.

Bis vor drei Jahren ist er regelmäßig im Herbst mit Stefan, dem Jockey, ein oder zwei Fuchsjagden mitgegangen. Galoppieren und Springen waren mehr sein Fall, wobei ich glaube, hätte man ihn gefragt, er wäre lieber auf der Koppel geblieben. Als er 20 Jahre alt wurde habe ich dann allerdings beschlossen, dass das jetzt nicht mehr sein muss. Es wäre doch zu ärgerlich, wenn er sich in seinem Alter noch ernsthaft verletzen würde.

Im Alter kommt ja bekanntlich manchmal die Weisheit und so hat er mittlerweile auch eingesehen, dass man ab und zu mal geritten werden muss. Seine liebste Gangart ist nach wie vor noch der Galopp und so galoppieren wir viel, reiten Schritt-Galopp Übergänge, üben Außengalopp und fliegende Galoppwechsel und beenden die Arbeit mit Galopp im leichten Sitz, bei dem er dann auch das Tempo bestimmen darf.
Er lernt unglaublich schnell, so dass er bei der Ausführung der einzelnen Übungen immer meint zu wissen was jetzt kommt und meine Hilfengebung gar nicht abwarten will. Diesen Übereifer muss man dann erst mal wieder ausbremsen. Ja, so ist der "komische Typ" - von einem Extrem ins andere, entweder sich völlig verweigern oder übereifrig alles vorwegnehmen.
Er hat beim Reiten nach wie vor gute und schlechte Tage, Wutanfälle gibt es ab und zu immer noch, aber nicht mehr so heftig, wie viele Jahre davor.

Longieren lässt er sich im übrigen unglaublich gut, ob mit Dreieckszügel ausgebunden oder ganz ohne, er geht stets mit gesenktem Kopf und aufgewölbten Rücken. So wie man sich das eben wünscht. Auch beim Freilaufen in der Halle ist er locker und schwingt schön im Rücken.

Im Umgang ist Litarino das Beste, was einem passieren kann! Er ist unglaublich menschenbezogen, anhänglich, feinfühlig und sensibel. Er rempelt nicht, getreten hat er auch noch nie. Er ist immer aufmerksam und beobachtet seinen Menschen ganz genau.
Er kann Stalltüren öffnen und überhaupt wäre er lieber Zirkuspferd als Rennpferd geworden. Für eine leckere Belohnung ist er zu jedem Kunststück bereit. Dabei muss man aber ganz genau aufpassen, was man ihm beibringt, denn er zeigt das Gelernte nämlich auch, wenn er nicht danach gefragt wird.
Manchmal hat er Launen wie eine Diva, mal ist er extrem frech, mal irgendwie schlecht gelaunt und dann wieder wahnsinnig verschmust.
Mein Tierarzt hat einmal zu mir gesagt "dieses Pferd hat Geist". Ich glaube das trifft es perfekt.

Die Bilder sind im übrigen nicht mehr die neuesten, aber er hat sich nicht wirklich verändert, bis auf ein paar kleine weiße Stichelhaare unter dem Schopf, sieht man ihm sein Alter nicht an. Zum Schluss kann ich sagen, dass Litarino und ich nach 18 Jahren fast wie ein altes Ehepaar sind, man kennt sich eben und mag sich trotz allerlei Ecken und Kanten. Und ich hoffe, dass ich mit dem "komischen Typ" noch viele Jahre "streiten" und Spaß haben darf.

(Stand: Juni 2009)

 

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© Nicole Billaudelle