Twingo erbrachte über einige Jahre hinweg konstante Leistungen im Rennsport. Zuletzt wurde er in Bremen-Mahndorf trainiert. Mit zunehmendem Alter verschlechterten sich seine Ergebnisse, so dass er zum Verkauf angeboten wurde.
Seine spätere Besitzerin hatte schon zu aktiver Zeit ein Auge auf ihn geworfen, weil ihr Herz schon seit Langem für Trab- und Galopprennpferde schlägt.
Entsprechend übernahm sie den eindrucksvollen Hengst Ende 2010 und hielt ihn bei sich zu Hause im Offenstall mit anderen Pferden.
Twingo durfte im Gelände & auf Distanzen beweisen, was er kann. Leider musste er aufgrund eine Weideunfalles im April 2014 erlöst werden. Mehr über seine persönliche Geschichte erfahren Sie im Anhang ..
Twingos persönliche Geschichte
(geschildert von Julia Fischer)
Twingo habe ich im April 2010 direkt aus dem Training gekauft. Er stand bis dahin in Bremen- Mahndorf und lief mehr oder weniger erfolgreich. Ich hatte ihn schon über Jahre bei den Rennen beobachtet und war immer fasziniert von dem harten, hübschen Pferd und als er dann zum Verkauf stand, habe ich zugeschlagen.
Twingo ist 1999 geboren und war bis 2010 aktiv. Karfreitag lief er sein letztes Rennen in Bremen mit mäßigem Erfolg. Der Trainer sagte, er sei zwar ein hervorragendes, braves Führpferd, aber mittlerweile würde er einfach zu langsam werden. Außerdem hasste er es, wenn er hinten lief und Dreck von den anderen Pferden ab bekam, so dass er bremste.
Ostermontag jedenfalls war ich zum Probereiten in der Trainingszentrale und einige Tage später haben wir ihn abgeholt. Zuerst stand er nicht bei mir zu Hause im Offenstall, sondern in einem Reitstall
nebenan. Es war nicht ganz einfach, einen Platz auf Zeit für einen Hengst von der Rennbahn zu finden, und einige Miteinsteller beäugten mich kritisch, wenn ich mit dem dünnen, wiehernden Pferd vom
Hof ritt. Ich bin knappe drei Wochen ein bis zweimal am Tag im Schritt ausgeritten, dann ging es in die Sommerweide mit meinem Traber Marenco. Beide Pferde liefen toll zusammen und passten
charakterlich sehr gut zueinander.Twingo lief ab und an als Handpferd mit und wurde hin und wieder von der kleinen Tochter meiner Freundin geritten, durfte sich aber vor allem von den langen Jahren
auf der Rennbahn erholen und einfach Pferd sein und das artgerechte Pferdeleben kennenlernen. Er lernte neben den üblichen „Robustpferdesachen" vor allem, das Putzen zu geniessen, Gras zu fressen und
sich ohne Steigerhalfter führen zu lassen. Recht große Probleme machte die Umstellung auf barhuf. Twingo hatte sehr verstellte Hufe mit verbogenen Wänden und schrecklich untergeschobenen
Trachten.
Oft konnte ich kaum hinschauen, er lief zeitweise auf fast allen Böden fühlig, außer im Gras auf der Weide. Es kamen mehrere kleine Hufgeschwüre zum Vorschein. Mit Hilfe meiner Hufpflegerin, die mich mehrmals ermutigte, durchzuhalten und nicht zu beschlagen, haben wir diese Zeit geschafft und Twingo läuft heute problemlos ohne Beschlag über alle Böden. Wir bekommen sogar häufig Lob für seine schönen Hufe.
Im Spätsommer 2010 dann wurde mir die Pacht gekündigt, es waren keine Hengste erwünscht (bin mir sicher, das hatte andere Gründe, aber letztendlich war es gut so), so dass mein Partner und ich auf
einen anderen Resthof umzogen und beide Pferde mitnahmen. Über Winter zeichnete sich ab, dass mein Herzenspferd Marenco nicht mehr reit- und fahrbar sein würde, so dass ich mit Twingo langsam anfing,
vom Boden aus zu arbeiten, viel spazieren zu gehen und Doppellongenarbeit zu machen.
Im Januar 2011 zog wie so oft Moonlight, ein schon leicht ergrauter Notfalltraber bei uns ein. Twingo und er hassten sich, vermutlich weil der Moon ein Kryptorchid ist und im Verhalten mit Mensch und
Pferd zunächst auffällig zeigte. Es gingen einige Zäune zu Bruch, so dass der kleine Kerl getrennt von Twingo und Marenco stehen mußte. Im Februar ließ ich meinen Marenco, der mittlerweile ohne
Schmerzmittel nicht mehr auskam, einschläfern.
Twingo und der Traber, der mittlerweile den Spitznamen „Fetti" trägt, weil er neben dem sehnigen Twingo und auch neben dem durchtrainiertem Traber Marenco ein wenig schwer und unsportlich aussieht,
verstanden sich leider weiterhin gar nicht. Inzwischen reicht ein kleines Zäunchen zwischen den beiden, sie kraulen sich darüber und spielen miteinander, aber jeder Versuch, die beiden zusammen zu
stellen, endete bisher in Prügelei und Aufregung. Twingo bewohnt daher nun die eine Seite unseres Weidelandes und Fetti die andere, beide haben ihren eigenen Offenstall und scheinen damit ganz
zufrieden und entspannt zu sein.
Twingo habe ich in der ersten Zeit nach Marencos Tod dann viel gemütlich ausgeritten und er hat grundlegende Dinge gelernt wie das Anbinden, beim Aufsteigen stehen zu bleiben und an fremden Pferden
vorbei zu gehen, ohne Aufstand zu machen. Mittlerweile reiten wir im Gelände hauptsächlich gebisslos mit dem LG- Zaum, was völlig problemlos klappt.
Ein großes Problem war, dass Twingo gern mal heftig getreten hat, wenn man an die Hinterbeine wollte, so traf er fast einen Schmied und einen Bekannten beim Verladen am Kopf. Bei der Hufpflegerin und
bei mir macht er keine Probleme mehr.
Charakterlich ist Twingo einwandfrei, zwar eine starke Persönlichkeit, aber er ist immer ehrlich und absolut klar im Kopf. Er lässt sich stets gut regulieren, nicht nur unter dem Sattel. Inzwischen
lässt er sich putzen, ohne mit dem Kopf zu schlagen und in den Strick zu schnappen, und er kommt er sogar von selbst zu mir und fordert Streicheleinheiten oder Kraulen ein und ignoriert den Menschen
nicht mehr, so wie er es anfangs tat. Witzig ist es immer, wenn Leute am Weidezaun stehen, da geht er einfach nicht hin, denn Fremden gegenüber bleibt er misstrauisch.
Es kam auch vor, dass er versuchte, fremde Menschen von der Weide zu treiben, so den Nachbarn, der es gut meinte und Äpfel für die Pferde auf dem kurzen Weg durchs Paddock zu uns bringen wollte. Diese und noch einige andere Starallüren hat Twingo wohl von der Bahn mitgebracht. Er muss immer der erste sein, immer das Gefühl haben, dass Besucher ihn bewundern. Bekommt der Weidenachbar mehr Aufmerksamkeit oder wird als erster gefüttert oder begrüsst, geht Twingo zum Holzzaun, zielt, und tritt mit voller Wucht die Pfosten kaputt. Es ist fast menschlich, wie jähzornig er sein kann und wie er seiner Wut oft grunzend und wild scharrend Luft macht.
Eigentlich ist er ein Schauspieler, typsich Hengst, typisch Vollblutt, wenn es drauf ankommt kann ich mich voll und ganz auf ihn verlassen. Meist macht er eine große, beeindruckende Show. Ich habe
mich selten in fast jeder Lebenslage mit einem Pferd so sicher gefühlt.
Im ersten Sommer auf der Weide hatte Twingo, wie ich erwartet hatte, trotz Zufutter zum Gras, immens abgebaut. Alle Muskeln waren verschwunden und das ungewohnte Leben in der Herde und mit den
Witterungsverhältnissen hatten den Hengst wohl Energie gekostet.
Mit dem Reiten im Frühjahr 2011 kam auch die Muskulatur wieder und Twingo konnte langsam zunehmen, je mehr er kennen lernte und je weniger ihn das Leben als Offenstallpferd stresste.
Wir gehen zwischenzeitlich flott und lange ins Gelände, vielleicht probieren wir auch mal einen kleinen Distanzritt oder einen Wanderritt. Außerdem üben wir uns nun auch mehr im freizeitmäßigen
Dressurreiten, wo Twingo super mitmacht. Er wird trotz einiger körperlicher Einschränkungen aus seiner aktiven Zeit immer lockerer und baut langsam immer mehr Reitpferdemuskulatur auf. Er scheint ein
richtiges Dressurtalent zu sein, zeigt schöne, lockere Bewegungen und ist mit viel Willen und Spaß bei der Sache. Zwar sieht man in der Bewegung die Spuren eines Griffelbeinbruches, und auch die
Fesselträger sind nicht mehr hunderprozentig okay, es gibt vermutlich auch Einschränkungen in der Halswirbelsäule, aber das macht bisher keinerlei Probleme, trotzdem tägliche Ausreitstrecken von 20
Kilometeren und mehr unser normales Pensum sind.
Nach seiner zweiten Karriere als Freizeitpferd wird Twingo als Rentner bei uns bleiben.
(Stand: September 2012)